Willkommen auf meinem Blog

Auf dieser Seite findet ihr -in den verschiedenen Rubriken unter dem Titelbild- viele nützliche Infos rund um das Thema Vietnam und zudem jede Menge lustig-bis spannende Anekdoten aus meinem Alltag, als Schwiegertochter einer vietnamesischen Familie..

Sonntag, 1. Januar 2012

(CATINAT) - Moi

Moi! Der kleine Moi. Alles an ihm ist rund. 
Der Bauch, die Beinchen, die Ärmchen, die Finger, das Jung-Buddha-Gesichtchen 
unter kahlem Rundschädel mit Stirnlocke, der Mund: alles ist rund. Sogar der Name : Moi. 
Nur die Augen, die sind mandelförmig. Moi warf sich zuerst mit der Wucht 
seiner runden drei Jahre gegen unsere Haustür und ließ das Blech zwischen den eisernen 
Gitterteilen scheppern. Unten durch die Windöffnung steckte er ein geballtes rundes Fäustchen 
durch. Schließlich zog er ab. Nach drei Minuten sah ich seine runden nackten Füßchen 
unten in der Windöffnung. Ein metallisches Kratzen und Hiebe gegen die Tür. 


Moi and me
 Moi verlangte mit mitgebrachter Schere als Waffe ärgerlich sein angestammtes Recht 
auf Eintritt , das unsere verschlossene Tür ihm verwehrte. Früher war er hier ein und aus
gegangen. Als das Haus noch den alten Damen gehört hatte, noch nicht umgebaut war, 
eine Holztür hatte, die tagsüber stets offen stand. Hier war Moi willkommener Gast und 
Mitbewohner gewesen. Ich holte einen Cookie aus der Keksrolle auf dem Tisch und schob 
ihn vorsichtig durch die Windöffnung in Richtung von Mois Füßen und Arbeitsgeräuschen. 
Ein Augenblick der Ruhe, dann kam die kleine Hand unten zum Vorschein , 
die die Schere ungeschickt ablegen wollte – und der Zugriff auf das Cookie-Angebot 
auf der oberen Treppenstufe. 

Dicke Freunde
Ich nutzte die Zeit des Waffenstillstands und öffnete die Tür einen Spalt. 
Moi drückte den Spalt weiter auf – da sah er mein Gesicht. Entsetzen in seinem Gesicht, 
der Rundmund mit Kekskrümeln blieb vor stummem Schreck offen. Mois runder Körper, 
nur mit Höschen bekleidet, wandte sich zur Flucht. So war es am Anfang immer gewesen : 
wenn Moi mich erblickte, packte ihn sichtbar das Grausen. So war es vor einem knappen Jahr. 
Auch das ihm mit der Hand entgegengestreckte Bestechungsangebot in Form eines Cookies 
schlug er aus und lief weg. Leise, überraschend helle Klagelaute stieß Moi nur aus, 
wenn der Reisigbesen oder ein kleiner Plastikstuhl im Raum seinen Rückzug versperrte.
Den Namen Moi leiten die Nachbarn und Eltern davon ab, dass der Kleine so ähnlich aussieht
wie ein Junge aus dem Volk der Moi, die von vielen als ein wenig beschränkt eingeschätzt werden. 

Moi und Oi
Ich selbst sei nicht der Auslöser von Mois Panik, erklärten mir die Nachbarinnen lachend 
und zeigten mit dem Finger auf meine Augen. „Moi hat noch nie helle blaue Augen gesehen.“ 
Das hat ihn so erschreckt. „Dabei sind Ihre Augen so schön.“ Na ja. 64 Jahre – was ist 
an mir noch schön ? Auf die Augen war ich gar nicht gekommen. Jetzt, ein gutes 
dreiviertel Jahr später, sind Moi meine Kekse wichtiger als seine Furcht vor blauen Augen
es war. Im Gegenteil. Moi ist zutraulich geworden, spielt im Wohnungseingangsbereich mit mir.
Er kommt jetzt gerne. Und eine geschlossene Hauseingangstür bekämpft er auch nicht mehr
mit der Schere. Er hat mich akzeptiert, trotz meines Makels der schrecklichen blauen Augen. 
Vor allem, nachdem sein Opa starb. Aufgrund meines Alters scheine ich irgendeinen Anteil
seines Opas übernommen zu haben. Ich weiß nicht, welchen. Und die Bedeutung 
dieser Akzeptanz konnte ich anfangs noch gar nicht richtig einschätzen. Fast war dies 
der Schlüssel zur allgemeinen Akzeptanz bei den Menschen in unserer Gasse. Wie sagt man ?
– „Die halbe Miete !“ Davon später.