Warum in Sài
Gòn leben ? Mal abgesehen davon,
dass ich mit einer Vietnamesin aus Sài
Gòn verheiratet bin . Das war
fuer mich in meiner Planung unseres Projekts “Leben in Saigon”
:
1. Urbanitaet. Der Anspruch, immer und sofort Anschluss an die Mittel zu haben, die ein unhinterfragt modernes , grossstaedtisches Leben ermoeglichen. Die Apotheke z.B. soll innerhalb von drei Minuten erreichbar sein.
1. Urbanitaet. Der Anspruch, immer und sofort Anschluss an die Mittel zu haben, die ein unhinterfragt modernes , grossstaedtisches Leben ermoeglichen. Die Apotheke z.B. soll innerhalb von drei Minuten erreichbar sein.
2. Anonymitaet. Ich will nicht staendig unter dem Stress stehen, beobachtet, gewuerdigt und gewertet zu werden. Ich will mich oefter mal “gehen lassen” koennen. Eben drei Minuten aus unserem Labyrinth heraus und ich trete auf die belebte Bui Vien, Touristen, Cyclofahrer, Geschaeft an Geschaeft, dazwischen Garkuechen, alle dreissig Meter ein Stand mit Leckerem, Angestellte aus den Bueros auf den kleinen Plastikhockern , Barmaedchen, Zulieferer, Internetcafes … “Abstand” auch zur “Grossfamilie”. Nicht immer praesent sein muessen und den Erwartungen entsprechen. Das hatte ich 43 Jahre im Beruf. Mich in der Freizeit wie auf Inseln dort niederlassen und lesen oder schreiben oder mit dem kleinen Laptop im Internet surfen, wo man oberflaechlich einige Gewohnheiten von mir kennt. Mehr nicht.
3. Nachbarschaft. Im Gegensatz zur Urbanitaet und Anonymitaet will ich gleichzeitig die Naehe zu Menschen in der direkten Umgebung . Ich suche die Dichte einer unmittelbaren Wohnumgebung. Auf gar keinen Fall Hochhaus oder europaeische oder amerikanische Reihenhauskultur. Ich will den “Tante Emma Laden” mit der Moeglichkeit “anzuschreiben” moeglichst in Sichtweite. Ideal : wenn wir die Tuer zum Haus einen grossen Teil des Tages einfach offen stehen lassen koennen. Wenn “mein” Friseur um die Ecke erreichbar ist; nicht allein zum Haareschneiden sondern zur “Pflege”, mal rasieren oder Haare waschen, Ohren saubermachen und zur Kommunikation. Wenn zwei Haeuser weiter der Nachbar mir einen Kaffee rueberschickt , waehrend uns sein kleiner Sohn neugierig besucht. Wenn die Nachbarin gegenueber meiner Frau spontan Massage geben kann. Wenn die andere Nachbarin ihr ebenso ungeplant die Fingernaegel lackieren kommt . Wenn der Elektriker und der Installateur in der Nebenstrasse unmittelbar erreichbar wohnen und arbeiten. Eine kleine Zweimann-Tischlerei und die Dame mit der Naehmaschine uns direkt gegenueber draussen vor der Tuer …
Das alles “unter
einen Hut” kriegen ?
Das Grundgefuehl dafuer, dass das an einem Ort moeglich waere, hatte ich gegenueber Saigon.
Es haette auch Paris sein koennen, oder Rom, oder Toronto oder Shanghai oder Buenos Aires oder Valparaiso oder Berlin. Nun ist es Saigon.
Das Uebrige ergab sich, teilweise war es da, teilweise musste es gesucht oder “erarbeitet” werden, in mehreren Jahren.
Dabei uebersahen wir zunaechst etwas, was so nah lag, wahrscheinlich weil es so nah war : da, wo meine Frau geboren wurde und aufgewachsen ist. Genau in dem Viertel. Da lagen Urbanitaet und
Nachbarschaft nebeneinander. In einem Labyrinth von Gassen, in das sich ein Tourist mal selten verirrt. Und wenn ich meinen Anteil an Anonymitaet will und untertauchen moechte in der Menge, dann habe ich das in drei Minuten Entfernung.
Ein Bewusstsein fuer
die absolute Grenze unseres Hiersein-Koennens ist bei meiner Frau
und mir vorhanden : bei Pflegebeduerftigkeit von einem von uns ist
zur Zeit Deutschland fuer uns besser. ( Ein Besuchstrip nach
Sihanoukville in K zum Zweck der moeglichen Bestimmung des
Altersruhesitzes endete negativ.) Die Bruecken nach D bleiben
erhalten. Also doch auch etwas wie “auf Abruf”. Der „Spagat“
eben. Man muss nuechtern bleiben.Ich lebe hier. Nach einem
Herzinfarkt oder einem Schlaganfall oder bei beginnender Demenz hier
in VN leben muessen : unmoeglich. Auch wenn ich mir die mich im
Rollstuhl anschiebende vietnamesische Hilfskraft finanziell leisten
koennte : bei der hiesigen Mentalitaet moechte ich ihr und ihrer
Familie nicht hilflos ausgeliefert sein; etwas weniger als meinen
eigenen Verwandten hier oder in D und weniger als in einem auch
nicht in allem tollen deutschen Heim jedenfalls . Oder ?
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen